»Echten Boogie-Woogie begreife ich vom Ansatz her als homogen mit meiner malerischen Intention: Zerstörung der Melodie, was der Zerstörung der natürlichen Erscheinung gleichkommt, und Konstruktion durch die fortlaufende Gegenüberstellung reiner Mittel – dynamischer Rhythmus.« Piet Mondrians Statement zu seinen späten Boogie-Woogie Bildern (1942-44) benennt einen Aspekt, der auch für das Werk von Gregor Hildebrandt zentral ist: die Zerstörung gegebener Melodien oder musikalischer Themen, in einem weiter gefassten Sinn: der geschlossenen Werkauffassung zugunsten offener Konstruktionen mit konträr argumentierenden Anknüpfungspunkten. Sein Material – VHS und Kassetten-Bänder, Schallplatten u. a. – sampelt gleichsam individuelle ästhetische Präferenzen des Künstlers, Zeitgeist und die auditiven und visuellen Assoziationen der Betrachter. Visuelle Partituren, auf der Basis gespeicherter Musik, zeichnen freie Rhythmen aus der nahtlosen oder offenen konstruktiven Addition der glänzenden schwarzen Musikbänder. Wir sehen den abstrakten Beat im Werk und hören gleichzeitig in unserer Vorstellung die Musik, deren Titel der Künstler in den Bildbezeichnungen mitführt. In einer aktuellen Werkgruppe 2017 bis 2019 hat Gregor Hildebrandt einige seiner Bildobjekte großen Vorbildern des 20. Jahrhunderts im Kontext von Sound, Bild und Rhythmus gewidmet: Piet Mondrian, Anni und Josef Albers, François Morellet u. a. Die schwarzen rechtwinkligen Linien der Bilder Mondrians ersetzt Hildebrandt durch Tape, im Bild der Mercedes-Benz Art Collection eine Aufzeichnung des Songs Non perderti per niente al mondo von Paolo Conte aus dem Jahr 1981. Vom Boogie Woogie der 1940er-Jahre lenkt Hildebrandt so die Imagination des Betrachters in Richtung auf die italienische Schlagerwelt der 1980er-Jahre. Zugleich eröffnet die Aufforderung des Titels, übersetzt »Verpassen Sie nichts in der Welt« weitere Dimensionen. »Ich gebe Mondrian eine Stimme, weil alle seine Bilder mit etwas aufgenommen sind, auch wenn es nur Leere ist«, so der Kommentar des Künstlers.