Hartmut Böhm (*1938 in Kassel) arbeitet seit fünf Jahrzehnten an den Schnittstellen von Konkreter Kunst, Minimal Art und Konzeptkunst. Die Begriffe Serialität, Relief, Struktur, Progression kennzeichnen zahlreiche seiner Skulpturen und Objekte. In seinem Werk geht es um skulptural-ästhetische Konzepte, deren differenzierte Maßverhältnisse der Unordnung der Welt das Ethos eines geistigen und werkstoffgerechten Willens zu disziplinierter Formfindung entgegenhalten.
Seit 2013 hat Hartmut Böhm die neue Werkgruppe der »Tischstücke« konzipiert. Fundstücke des Ateliers – Zeichengerät, Werkstoffe, Werkzeuge, Kleberollen, Karteikästen, Einladungskarten, Broschüren – werden auf schlichten Tischen so angeordnet, dass das einzelne Objekt Teil eines streng formal ausgearbeiteten Vokabulars, einer visuell komponierten Anordnung wird. Für die Mercedes-Benz Art Collection hat Hartmut Böhm nach diesem Prinzip die Raumskulptur »or–or« geschaffen, die sich als visueller Essay über sein gesamtes künstlerisches Œuvre lesen lässt. Sieben Meter ist das Display lang, welches das Buch ausführlich dokumentiert. Aus den konkreten Proportionen des Werks »or–or« und der zugrunde liegenden ›Progression gegen unendlich‹ hat der Fotograf Florian Böhm einen konzeptuell-visuellen Ansatz für seine Dokumentation im Buch entwickelt. Die Betrachter können so das Vokabular der geistigen Landschaft Hartmut Böhms durchmessen, die materielle Vielfalt der typografischen Objekte, Künstlermaterialien und ausgewählten Gegenstände des Ateliers kennenlernen. Für die Lektüre formuliert der Künstler folgende Begriffe: Matrix und Metapher, Leere und Volumen, Überlagerung und Durchdringung, System und Syntax, Form und Struktur.
Mit Texten von Nadine Brüggebors, Christian Ganzenberg, Renate Wiehager