Werk


The Coloured Sky: New Women II, No. 4, 2014

  • Foto-Inkjet auf Hahnemühle Papier
  • 120 x 180 cm
  • Erworben 2016

Die jüngste von der Mercedes-Benz Art Collection erworbene Fotografie The Coloured Sky: New Women II, No. 4, 2014, des chinesischen Künstlers Yang Fudong ist Teil einer Fotoreihe und wie viele seiner Serien parallel zur gleichnamigen Videoinstallation entstanden. Die großformatige Farbfotografie zeigt eine nächtliche Regenszene, in der blau-schwarze Töne dominieren. Im Bildvordergrund steht eine junge Frau in einem blauen Badeanzug der 1940er Jahre, beide Arme von sich streckend in einer stromartigen Pfütze. Anhand der Fotografie bleibt offen, ob die Frau weinend oder lachend im Regen steht. Im Bildmittelgrund sind Holzgitter und Palmen zu sehen, im Hintergrund die Silhouette einer hügeligen Sandlandschaft. Hinter den Höhenzügen ist in der Ferne das fantastisch gelborange getönte Glühen eines Sonnenuntergangs oder -aufgangs als einzig warme Lichtquelle wahrzunehmen.
In stringenter Weiterentwicklung bisheriger Ansätze befragen auch Fudongs neuere Arbeiten die Rolle der Frau, untersuchen Weiblichkeitskonstruktionen und idealisierte Frauenbilder in Film, Werbung und Populärkultur. Mit leuchtenden, übernatürlich wirkenden Farben zeigen sie insofern eine neue Entwicklung, als Fudong hier anstelle von Schwarzweiß erstmals Farbe verwendet: Er nutzt Farbe, nicht, um mit ihr einen Realismus zu konsolidieren, sondern um ihre Künstlichkeit durch irisierende Farbigkeit offensiv zur Schau zu stellen. In The Coloured Sky: New Women II entwirft Fudong eine traumhafte Welt, in der Grenzen von Imagination und realer Handlung, Fiktion und Wirklichkeit gänzlich offen gehalten werden. Er verbindet den poetischen Anspielungsreichtum und das Enigmatische mit einer langsamen, offen interpretierbaren Erzählweise. Schauplätze, Situationen und Stimmungen sind ihm wichtiger als eine stringente, linearen Prinzipien folgende Erzählung. The Coloured Sky: New Women II kreist um aufkommende Sexualität und unbewusstes Begehren, um Träume und Ängste junger Frauen.
Durch ein artifizielles Setting einer Strandlandschaft – mit Palmen, Kakteen, lebendigen wie auch künstlichen Tieren, gemalten Hintergründen und farbigen Glasscheiben – bewegen sich drei junge Frauen in wechselnden Badekostümen der 1940er Jahre. In den meist starren, präzis komponierten Einstellungen verharren sie mit oft leerem Blick in regungslosen Posen. Durch den Verzicht auf Sprache wird der Fokus auf ihre Gestik und Mimik gelegt. Indem sie für die Kamera in surrealen, leicht erotischen Haltungen posieren, thematisiert Fudong erneut die voyeuristische Fetischisierung von weiblichen Körpern. Aufgrund der elegischen Länge der Einstellungen, der statischen Kamera, der entrückenden Bildunschärfen und farbigen wie spiegelnden Glasscheiben sind die Bilder von surrealer Schönheit und scheinen zwischen Traum und Realität zu schweben. Vergänglichkeit klingt in vielen der stilllebenhaften Arrangements an: Vanitas-Motive wie von Schnecken befallene Trauben oder schimmlige Durianfrüchte stellen die scheinbare Idylle in Frage.
In der Schlussszene des Films – zu der die erworbene Fotografie The Coloured Sky: New Women II, No. 4 zählt – kippt die Stimmung vollends von heiterer, kindlich-verspielter Schönheit in Ungewissheit und Verlassenheit. Zunächst schlendert die Frau gelöst und lachend ins Bild, scheint dann aber von Trauer und Angst bestürmt zu werden und beginnt zu weinen. Auch hier mag ein möglicher Grund für die Traurigkeit das augenblickliche Altern oder Erwachsenwerden sein. Fudong selbst benennt Kindheitserinnerungen und Tagträume als Sujets seiner Arbeit und vergleicht seine Bildästhetik mit den schillernden Regenbogenfarben eines bunten Bonbonpapiers: »Was ich hier versucht habe darzustellen, ist ein Gefühl der Kindheit. Sich vorzustellen, als ob man ein Stück Bonbonpapier gegen die Sonne hält. Man hat alle Arten von bunten Reflexionen. Das ist die Art von Gefühl, die ich versucht habe, hier zu vermitteln. […] Ein Bild, das schön, fantastisch und so unwirklich wie ein Traum ist.«
Im Film werden Stimmungen mit Farbe akzentuiert, um den künstlichen Charakter des Films zu verstärken und die psychologischen Dispositionen der Darstellerinnen zu konturieren. Farbe kann hier auch als Repräsentation subjektiver Leidenschaft gelesen werden. In der künstlich inszenierten Strandlandschaft scherzen die drei Bikini Girls selbstbewusst hinter farbig getönten Glasscheiben – Filter und Spiegel, die ihr Image brechen und bespiegeln und dabei auf Blickregime verweisen. Auch der Titel spielt auf die Konstruiertheit weiblicher Sexualität und die Illusion von Intimität an: New Woman ist der Titel eines 1935 entstandenen Films, der das modern-mondäne Shanghai der 1930er Jahre zeigt und dabei das Schicksal einer um Unabhängigkeit kämpfenden Frau in den Fokus rückt. Seine Hauptdarstellerin – eine der größten Filmstars des Shanghai-Kinos der 30er Jahre – beging kurz nach der Filmpremiere Selbstmord, nicht zuletzt da sie unter der permanenten Verfolgung durch der Medien litt.
Neben diesen, mit dem Titel verbundenen Assoziationen können weitere filmhistorische Referenzen freigelegt werden: The Coloured Sky: New Women II erinnert an die ›Bathing Beautys‹ der sogenannten ›Aqua-Musicals‹, die vor allem in den 1940er Jahre gedreht wurden. Der Wechsel von Schwarzweiß zu Farbe wird auch hier vollzogen; erstmals wird in diesen Musicals das knallbunte Farbfilmverfahren eingesetzt. Nirgends ist Technicolor so wundervoll wie in den Musicals, in denen die Farben eine starke Suggestivkraft besitzen und förmlich explodieren. Mit den farbigen Glasscheiben verweist Fudong auch auf Technicolor-Kameras mit ihrem Prismen und Filtern.

Text: Friederike Horstmann und Liza Müller

Siehe auch: The Coloured Sky: New Women II, No. 5, 2014

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