Die Fotografie ist bestimmt von der Ansicht eines breiten Männerrückens, der gerade vermeintlich dem Akt des Tätowierens unterzogen wird. Auf dem dramatisch beleuchteten Rücken vor dunklem Hintergrund entfaltet sich ein Kosmos von Symbolen: ein Zeichensystem zodiakischer Astrologie. Das in die Haut gestochene Motiv, das die nördliche Hemisphäre repräsentiert, geht auf den ersten astrologischen Holzschnitt Europas zurück. Er stammt aus der Hand von Albrecht Dürer (1471‒1528) und entstand im Jahr 1515. Als Dürers direkte Quelle gelten zwei reich verzierte Sternenkarten, die 1503 in Nürnberg angefertigt wurden. Seine eigenen Hinzufügungen zu diesem Entwurf umfassen hingegen die Porträts früher Astronomen in jeder Ecke: Aratus Cilix, Ptolemäus, Marcus Manilius und Azophi Arabus (Al-Sufi). Ein Kunsthistoriker und Vorreiter der Bildwissenschaft, Aby Warburg, nahm den Druck Dürers in seinen bedeutenden Bilderatlas ›Mnemosyne, Bilderreihe zur Untersuchung der Funktion vorgeprägter antiker Ausdruckswerte bei der Darstellung bewegten Lebens in der Kunst der europäischen Renaissance‹ auf, der 1929 mit 63 Bildern durch den Tod Warburgs unvollendet blieb. Die Identität der Person, deren Haut uns den Blick auf diese astrologische Karte gewährt, bleibt unbekannt. Cogitore inszeniert das kanonische Himmelsbild gleichsam zeitgenössisch, wie vor dem Hintergrund historischer Referenzen in einem Spannungsfeld von Körperlichkeit und Imagination.