Lebendige und leuchtende Farben – das ist das Erste, das einem bei der Betrachtung der Werke von Ida Kerkovius ins Auge sticht. Ihr 1965 vollendetes Gemälde Triptychon macht davon keine Ausnahme und ist ein bemerkenswertes Beispiel aus Kerkovius’ Spätwerk. 1979 wurde das Bild für die Mercedes-Benz Art Collection erworben und zählt zu einem der frühesten Kunstwerke der Sammlung. Das dreiteilige Format bezieht sich auf das in sakralen Räumen beliebte dreiflügelige Andachtsbild. Das sogenannte Triptychon wurde häufig genutzt, um die einzelnen Szenen in eine narrative Abfolge zu setzen. Im Falle von Kerkovius lassen sich die Darstellungen sowohl als biblische Referenz auf die drei Marien unterm Kreuz als auch im Sinne einer hoffnungsvollen alltäglichen Szene lesen. Triptychon zeigt: Kerkovius verstand die künstlerischen Gestaltungsmittel Farbe, Form und Linie als die grundlegenden Prinzipien, um (persönlichen) Emotionen in ihren Bildern Ausdruck zu verleihen. Motivisch erforschte sie Landschaften ebenso wie Stillleben und religiöse Motive und dies stets im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit.
Ida Kerkovius zählt zu den bedeutenden weiblichen Vertreterinnen der Klassischen Moderne in Deutschland. Ihre bevorzugten Medien waren die Malerei, die Pastell- und Aquarelltechnik sowie das Weben von Teppichen. Geboren in Riga, zog sie 1908 nach Stuttgart, wo sie den Großteil ihres künstlerischen Lebens verbrachte. Sie studierte an der Stuttgarter Kunstakademie unter Adolf Hölzel, einem Wegbereiter der abstrakten Kunst, der ihr Denken und Schaffen maßgeblich prägte. Der erste Kontakt zu Hölzels neuartiger Malweise entstand über Martha Hellmann, eine Hölzel-Schülerin. Die 22-jährige Kerkovius war fasziniert von den Kompositionen, die sich zwischen Abstraktion und Figuration bewegten. Sie beschloss, bei dem Bauhaus-Vordenker zu studieren, und wurde 1911 Hölzels Meisterschülerin und Assistentin mit eigenem Atelier an der Akademie. Damit war sie Teil einer äußerst innovativen und experimentierfreudigen Gruppe aus Künstlerinnen und Künstlern, die unter Hölzels Anleitung die Grenzen der traditionellen Malerei überschritten und auch mit Blick auf die künstlerische Ausbildung sowie die Gleichstellung von männlichen und weiblichen Studierenden neue Wege beschritten. Mit 41 Jahren ging sie nach Weimar ans Bauhaus, um sich weiterzuentwickeln. Dort erlernte sie auch das Weben. Ida Kerkovius starb 1970 mit 90 Jahren: Bis ins hohe Alter war ihr künstlerisches Schaffen ungebrochen.



