Im Jahr 2012 begann Mustafah Abdulaziz mit dem Langzeitprojekt Water, in welchem er den Veränderungen globaler Landschaften, bedingt durch die dramatisch schwindende Verfügbarkeit des Elements Wasser, und dem daraus resultierenden Entzug von Lebensgrundlagen für Mensch und Natur nachgeht. Impuls für die Auseinandersetzung mit anthropogenen Landschaften als Resultat klimatischer Veränderungen bildete für den Fotografen die Konfrontation mit einer Statistik der Vereinten Nationen (UN), die für das Jahr 2025 prognostizierte, dass 3,4 Milliarden Menschen von Wassermangel betroffen sein werden. Die Serie ist folglich als holistische Form fotografischer Topografie einer natürlichen Ressource in der Krise konzipiert und sieht vor, Menschen weltweit für die existenzielle Bedeutung des Elements Wasser zu sensibilisieren und zu einem Verständnis globaler Zusammenhänge zu inspirieren.
In Kapitel strukturiert, reflektiert das Projekt unsere komplexe Beziehung zum Wasser, wie wir es benutzen und missbrauchen, um unsere Teilhabe an einer der größten globalen Herausforderungen unserer Zeit zu verstehen. Hierbei richtet sich sein Blick auf landschaftliche Transformationsprozesse und deren visuelle Erscheinungen sowie auf die sowohl elementare wie vielschichtige Verbundenheit des Menschen zu diesem wichtigsten Grundelement. Wasser als lebenserhaltende Ressource, als Basis für Natur, Tier und Mensch, sowie auch dessen Bedeutungsebenen in spirituellen, religiösen und gesellschaftlichen Kontexten werden in den dokumentarischen wie epischen Aufnahmen von Abdulaziz greifbar. Die Ästhetik seiner Fotografien, die oftmals weite Landschaften mit im Verhältnis kleinen Menschen zeigen, lädt den Blick ein, diese Miniaturen gleichenden Bilder zu durchwandern, ihre Details wie ihre kompositorische Gesamtheit gleichermaßen zu erfassen. Ästhetisches Erlebnis und inhaltliche Dimensionen erweisen sich hierbei als dissonant. Das dissonante Moment, bezogen auf das Verhältnis ästhetischer Erscheinung und existenzieller Thematik, ereignet sich dort, wo die Aufmerksamkeit der Betrachtenden durch die visuelle Schönheit der großen Farbfotografien angezogen und im sofortigen Umschlag auch mit den Widersprüchen und Komplexitäten unserer Wirklichkeit konfrontiert wird. Nicht das visuelle Erscheinungsbild des Fotos schreckt uns, sondern die Erkenntnis, dass die fotografische Aufnahme der Erscheinungsform eines Ortes häufig keine Erkenntnis der Kausalitäten zulässt, die diesen prägen, vielmehr diese ästhetisch verschleiert. Abdulaziz’ Aufnahmen vereinen dabei die Konzepte des Dokuments, der Kritik und der Ästhetik. Durch die intensive Auseinandersetzung mit einer global präsenten Thematik werden wir als Betrachtende unmittelbar mit all jenen Orten und Menschen in Bezug gesetzt und provoziert, über Fragen globaler Verantwortung nachzudenken.
Nadine Isabelle Henrich