In ihrer Werkgruppe der Leinwandscans thematisiert die in Berlin lebende Künstlerin Anita Stöhr Weber den wohl gängigsten Bildträger der westlichen Malereigeschichte – die Leinwand. Die Künstlerin nähert sich ihrem Gegenstand zunächst durch ein minuziöses Abtasten mit einem hochauflösenden Scanner. Wie bei einer Art berührungsloser Frottage können die Leinwände in ihrer realen Größe, ihrer Farbigkeit, Textur und mit samt den Spuren ihrer Handhabung erfasst werden. Die generierten Bilddaten wurden anschließend mit einer digitalen Pigmentdrucktechnik auf mattem Papier verblüffend plastisch wiedergegeben.
Die Reflexion des Mediums ist auch in dieser Werkgruppe von Anita Stöhr Weber immanenter Teil der Bildgenese. Indem die Künstlerin auf die Materialität (und Funktion) des Malgrunds verweist, thematisiert sie mittelbar auch unsere Wahrnehmung der dinglichen Wirklichkeit, und damit die Unsichtbarkeit des Anwesenden (Leinwand in der Malerei) und die Sichtbarkeit des Abwesenden (die Leinwand in ihren Werken). Oberflächlich sehen wir die konkreten Abbilder handelsüblicher Leinwände, die dank heutiger Technik „täuschend echt“ wiedergegeben werden können. Tatsächlich dekonstruiert Stöhr Weber die Bedingungen der Malerei und verweist auf die Wirklichkeit ihrer originären Materialität. So offenbaren auch Lagerfalten narratives Potential – und die lückenlose Digitalisierung der Welt scheint die individuellen Bilder auszulöschen.