Katja Davars frühe Videoanimationen, die kurze Geschichten in virtuellen Räumen entfalten, finden seit 1999 ihr materielles Gegenstück in tableauartigen Stickbildern. Die Stickbilder entstehen im Rückgriff auf einen heterogenen Bilderfundus aus Statistik bis Telematik. Diagramme und Schalttafeln, Isometrien weltraumtauglicher Flugkörper, Antennenanlagen oder Satellitenschüsseln dienen als Vorlagen, um bis zur Unkenntlichkeit weiter abstrahiert zu werden. Diese Formalisierungen realer Technikanlagen besetzen als linear und maschinell gestickte, vielfarbige Zeichnung die in regenbogenfarben eingefärbte Leinwand. Early Bird Outing und Little Oscars (beide 2001) sind prägnante Beispiele aus der Reihe der Stickbilder, in welchen die perspektivische Konstruktion nicht mehr als Darstellungsmodell für ein ›getreues‹ Abbild der Natur dient. Die Aussage des Renaissance-Kunsttheoretikers Leon Battista Alberti über die Malerei als »Tuch, das aus feinstem Faden lose gewoben ist, nach Belieben gefärbt, mit etwas dickeren Fäden in eine beliebige Anzahl von parallelen Quadraten eingeteilt und über einen Rahmen gespannt (ist) […]« findet in Davars gestickten Tableaus seine Fortschreibung, allerdings in einer kompletten Umkehrung der Verhältnisse (Zit. n. De pictura, Darmstadt 2000). Der Faden hat sich vom Grund emanzipiert und ist selbst Bild geworden. Darauf erkennen wir nichts mehr, wir erahnen nur noch, was aus der Welt auf das Bild gekommen ist.