In den 1960er-Jahren autorisierte Marcel Duchamp mittels unterschiedlicher Aufschriften und seiner Signatur verschiedene Repliken seines früh verloren gegangenen Readymades Porte-bouteilles [Flaschentrockner], erworben 1914 in einem Pariser Kaufhaus. Narrativ inszenierte der Künstler die Geschichte dieses ersten Readymade in zahlreichen Gesprächen mit Bekannten und Kunstkritikern; heute ist die ›Erfindung‹ des Readymade Teil des kunsthistorischen Kanons und das verloren gegangene ›Original‹ des Flaschentrockners selbst ein ›auratisierter‹ Diskussionsgegenstand der Kunstwissenschaft. Seit Ende der 1990er-Jahre hat sich die Konzeptkünstlerin Bethan Huws intensiv mit dem Werk Marcel Duchamps auseinandergesetzt. Mit der Skulptur L’arbre [Der Baum], 2016, transferiert die Künstlerin physisch die kunstgeschichtliche ›Aura‹ des Porte-bouteilles als Lichtzeichnung in einen zeitgenössischen Kunstdiskurs – auch in der Interpretation Huws‘ ist der Flaschentrockner selbst nicht mehr vorhanden, sondern nur vorstellbar über die Neon-Outline. Der Titel der Arbeit verweist das Nutzobjekt zurück in den Kontext Natur, insofern der Flaschentrockner metaphorisch und formal als Baum lesbar wird – letzteres ein wiederkehrendes Motiv im Werk von Duchamp. »Alle Kunstwerke sind von Natur aus linguistisch. Nicht ein einziges würde ohne Sprache existieren. Bei allen Kunstwerken handelt es sich um linguistische Konstruktionen.« (B.H.)