Oskar Schlemmer, Schüler von Adolf Hölzel in Stuttgart um 1910 und herausragender Bauhaus-Lehrer, hat den Menschen nie als bloßes Motiv angesehen, sondern begriff ihn als Teil eines allumfassenden Bezugssystems. Er betrachtete ihn als kosmisches Wesen, als Welt-Totalität, das aus Geist, Natur und Seele besteht. Über die Entwicklung seines ›Differenziermenschen‹, einer formelhaft verkürzten Kunstfigur, die grundlegende Funktions- und Proportionszusammenhänge herausstellt, gelang Schlemmer eine idealtypische Repräsentation der menschlichen Figur. Schlemmers Ringen um den von ihm gesuchten ›Ausdruck‹ findet mit seinen um 1919 einsetzenden Reliefs den Durchbruch, denn es sind im bekannten Sinn keine Bilder mehr, sondern, so notiert Schlemmer im November 1919, »vielmehr Tafeln, […] die den Rahmen sprengen, um sich mit der Wand zu verbinden und ein Teil der größeren Fläche, des größeren Raums als sie selbst zu werden, solcherart Teil einer gedachten, erwünschten Architektur ist in ihnen komprimiert, […] was Form und Gesetz ihrer größeren Umgebung wäre. In diesem Sinne: Gesetzestafeln. Die Form des Menschen wird immer das große Gleichnis des Künstlers bilden«. Beispielhafte Gesetzestafel ist das Relief H, 1919, in welchem die Zergliederung der Gestalt auf eine formelhaft verkürzte Kunstfigur zugespitzt sowie in eine raumplastische Umgebung integriert wird und doch im Sinne des ›pars pro toto‹ auf den Mensch als Vorbild und Maß aller Dinge zurückweist.