Schwerpunkte des Sammlungsprofils sind die abstrakten Avantgarden des 20. Jahrhunderts, internationale zeitgenössische Kunst, automobilbezogene Kunst, internationale Fotografie und Videokunst sowie 20 große Skulpturen im öffentlichen Raum – zum Beispiel an der Mercedes-Benz Konzernzentrale in Stuttgart und am Potsdamer Platz in Berlin. Beispiele von Abstraktion im 20. Jahrhundert reichen von Bauhaus und klassischer Moderne, konkreter Kunst, Konstruktivismus und Informel nach 1945 bis zu europäischer Zero-Kunst, Minimalismus und Conceptual Art, Neo Geo, Postminimalismus und konzeptuellen Tendenzen.
Klassische Moderne – Konstruktive und Konkrete Kunst

Josef Albers, Study for Homage to the Square: ›Opalescent‹, 1962
Die Werkgruppe der klassischen Moderne in der Mercedes-Benz Art Collection umfasst vorrangig Malerei, aber auch Skulptur, Wandobjekte und Grafik. Sie zeichnen ein Bild der Entwicklung der Kunst bis in die 1960er-Jahre des 20. Jahrhunderts mit Konzentration auf den südwestdeutschen Raum (Die Stuttgarter Avantgarde – Von Hölzel zum Bauhaus – Die ›Konkreten‹: Die Ulmer Hochschule für Gestaltung, die Zürcher Konkreten, Verbindung zu ›De Stijl‹). Um 1910 datieren zwei Kompositionen Adolf Hölzels und bilden so chronologisch den Auftakt der Sammlung. Hölzel, der 1905 an die Stuttgarter Akademie berufen wurde, zählte u.a. Willi Baumeister, Camille Graeser, Otto Meyer-Amden, Oskar Schlemmer, Ida Kerkovius, Johannes Itten und Maria Lemmé zu seinen Schülerinnen und Schülern; sie sind jeweils mit repräsentativen Werkgruppen bzw. Einzelwerken vertreten. Schlemmer – dem mit acht Arbeiten aus drei Jahrzehnten innerhalb der Mercedes-Benz Art Collection besonderes Gewicht zukommt – war von 1921-28 als Lehrer am Bauhaus in Weimar und Dessau tätig.
Josef Albers, dessen Biografie ebenfalls wesentlich durch Studium und Lehrtätigkeit am Bauhaus geprägt wurde, emigrierte 1933 in die USA, wo er eine der führenden Lehrerfiguren wurde. Vier Werke in der Sammlung zeichnen die wichtigen Entwicklungsschritte der US-amerikanischen Zeit nach. Ein weiterer Schwerpunkt der Mercedes-Benz Art Collection ist Max Bill gewidmet. Bill studierte am Dessauer Bauhaus bei Schlemmer, Kandinsky und Klee und war 1950 Mitbegründer sowie erster Rektor der Ulmer Hochschule für Gestaltung. In Paris wurde Bill Mitglied der 1931 gegründeten Gruppe ›abstraction – création‹, der u.a. auch die in der Sammlung vertretenen Künstler Arp, Baumeister und Vantongerloo angehörten. In den 1930er-Jahren zählt Max Bill zusammen mit Camille Graeser, Verena Loewensberg und Richard Paul Lohse den Kern der ›Zürcher Konkreten‹, deren Wortführer und theoretischer Kopf Bill bis in die 1960er-Jahre hinein Max Bill bleiben sollte. Friedrich Vordemberge-Gildewart – kurzzeitig Student am Bauhaus in Weimar und Dessau, Mitglied von ›De Stijl‹, Mitbegründer von ›die abstrakten hannover‹, mit Bill befreundet und späterer Lehrer an der Ulmer Hochschule – berührt alle diese Kreise und kann als wichtigster Pionier der Konkreten Kunst in Deutschland angesehen werden.
Informel, gegenständliche Malerei, Karlsruher Schule
Die informellen Tendenzen sind in der Mercedes-Benz Art Collection beispielhaft präsent mit Namen wie Bernd Berner, Peter Brüning, Karl Fred Dahmen, Gerhard Hoehme, Horst Kuhnert, Uwe Lausen, Georg Meistermann, Fred Thieler und Fritz Winter. Die gestischen Weiterentwicklungen des Informel werden sichtbar im Werk der Stuttgarter Maler Rudolf Schoofs und K.R.H. Sonderborg. Daneben steht in der Sammlung die gegenständlich orientierte Gegenbewegung zum Informel mit den Stuttgartern Leonhard Schmidt, Manfred Pahl, aber auch Lambert Maria Wintersberger und Ben Willikens wären in diese Entwicklungslinie einzuordnen, sowie die figürlich-expressiv bestimmte Karlsruher Schule mit ihrer ›Vaterfigur‹ HAP Grieshaber und seinen Schülern Horst Antes, Dieter Krieg und Walter Stöhrer.
Stuttgarter Schule
Vom Informel ausgehend formuliert sich zu Beginn der 1960er-Jahre eine Gruppe junger Künstler, die eine großflächige, das traditionelle Bildformat objekthaft sprengende Farbfeldmalerei entwickelt, die zugleich die Verbindung zu Architektur und Stadtplanung sucht. Hierfür stehen die Namen Otto Herbert Hajek, Georg Karl Pfahler, Thomas Lenk und Lothar Quinte. Ihre Werke waren 1967 zusammen mit denen amerikanischer Zeitgenossen im Württembergischen Kunstverein Stuttgart unter dem Titel ›Formen der Farbe‹ in einer epochemachenden Ausstellung vereint.
Zero
›Zero‹ und die ›Neuen Tendenzen‹ als europäische Bewegungen – im Übergang zum Minimalismus – sind mit den Namen Enrico Castellani, Getulio Alviani, Dadamaino, Gerhard von Graevenitz, Jan Henderikse, Heinz Mack, Almir Mavignier, François Morellet, Jan Schoonhoven und Klaus Staudt u.a. in der Mercedes-Benz Art Collection vertreten. Einzelgänger innerhalb dieses Spektrums, die verschiedenen Strömungen berührend und sich von diesen abstoßend, sind Rupprecht Geiger, Günter Fruhtrunk und Herman de Vries; sie setzen mit bedeutenden Werkgruppen in der Mercedes-Benz Art Collection einen deutlichen Akzent.
Minimalismus in Europa und in den USA
Der Rückgriff auf die Ursprünge einer konkreten, konstruktiven und minimalistischen Kunst und deren Weiterentwicklung kennzeichnen die wichtigsten abstrakten Strömungen der 1950er bis 1970er-Jahre, allerdings mit je eigenen Akzenten in Europa und in den USA. Die Verbindung einer europäischen strukturell-konstruktiven Malerei mit US-amerikanischen Tendenzen – Minimal Art, Farbfeldmalerei, Hard Edge, Op Art – lässt sich innerhalb der Sammlung ablesen etwa an den Werken von Adolf Fleischmann, Hartmut Böhm, Andreas Brandt, Ulrich Erben, Gottfried Honegger, Karl Gerstner, Manfred Mohr, Anton Stankowski.
Herausragende Positionen minimalistischer Kunst in Europa in den 1960er-Jahren repräsentieren in der Sammlung die Werkgruppen von Peter Roehr, Charlotte Posenenske, Hanne Darboven, Eckhard Schene, Franz Erhard Walther und Ulrich Rückriem. Wichtige Positionen minimalistischer Malerei aus Skandinavien, Osteuropa und Japan sind hinzugekommen: Henryk Stazewski, Poul Gernes, Tadaaki Kuwayama, Keiji Usami, Arakawa/Gins, Albert Merz u.a. Vorläufer eines europäischen Minimalismus sind in der Mercedes-Benz Art Collection die Arbeiten von Josef Albers, Hermann Glöckner, Richard Paul Lohse oder Friedrich Vordemberge-Gildewart. Ein Referenzwerk für die reduktionistische Malerei in den USA ist ein 1969 entstandenes Bild von Robert Ryman. Parallel zu diesem gewachsenen Schwerpunkt widmet sich die Mercedes-Benz Art Collection den – in Europa praktisch unbekannt gebliebenen – Vorläufern und frühen Repräsentanten amerikanischer minimalistischer Malerei mit Erwerbungen von Gene Davis, John McLaughlin, David Novros, Jo Baer, Karl Benjamin, Ilya Bolotowsky, Marcia Hafif, Frederick Hammersley, Oli Sihvonen, Alexander Liberman, Larry Zox oder Mary Corse. Britische Positionen aus den 1960er Jahren sind ergänzt worden mit Namen wie Jeremy Moon, Robyn Denny, Michael Kidner. Dies ist die geistige Basis von jüngeren Positionen in der Sammlung wie Jens Wolf, Greg Bogin, Michael Zahn, Martin Gerwers, Martin Boyce oder Natalia Stachon.
Abstrakte, konzeptuelle und mediale Tendenzen in der Gegenwartskunst
Sammlungsschwerpunkte der Gründungszeit – die reduzierte, konstruktiv-konkrete und minimalistische Richtung der Kunst des 20. Jahrhunderts – wurden seit den 1990er-Jahren um Werke der 1945/1950 geborenen Künstlergeneration erweitert: Ulrich Erben, Alfons Lachauer, Christa Näher, Günter Scharein, Artur Stoll, Ford Beckmann, Dieter Villinger, Sean Scully und Yuko Shiraishi.
Den Bogen von den ungegenständlichen Positionen der Nachkriegsmoderne zum multimedialen Feld der zeitgenössischen Kunst spannt in der Mercedes-Benz Art Collection wesentlich eine um 1930/45 geborene Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern: John M Armleder, Charlotte Posenenske, Nam June Paik, Walter De Maria, Ulrich Rückriem, Auke de Vries, Daniel Buren, Roman Signer, Franz Erhard Walther, Imi Knoebel, Hanne Darboven, Bernar Venet, Olivier Mosset, Michael Heizer, Giulio Paolini, Peter Roehr und Joseph Kosuth. Sie alle arbeiten an einer Neudefinition des Werkbegriffs, setzen die traditionellen Gattungsgrenzen außer Kraft, formulieren die geistige und/oder körperliche Aktivität des Betrachters als Teil des Werkprozesses und behaupten – gegen die Dematerialisierungen und politisch motivierten Dekonstruktionen der 1960er und 1970er Jahre – das Bild in seiner weitesten Bestimmung als tragfähiges Konzept der Gegenwart. In diesem Zusammenhang zu nennen – und wie die oben genannten mit Werkgruppen oder wichtigen Einzelwerken in der Sammlung repräsentiert – sind Gia Edzgveradze, Günther Förg und Bertrand Lavier.
Aus dem Fundus an Positionsbestimmungen und Verwerfungen, Konzepten und Polemiken, Auslöschungs- und Rettungsversuchen des Bildbegriffs im 20. Jahrhundert speist sich das Werk von Künstlern der Sammlung wie John M Armleder, Gerwald Rockenschaub, Peter Halley oder Andrea Zittel. Sie lassen in Neo-Geo-Bildern, Objekten und Skulpturen, Poster- und Videoarbeiten den Stilkanon der Moderne aus der Distanz der Pop- und Fluxus-Generation gleichsam Revue passieren und legen ihn in seiner historischen wie ideologiegeschichtlichen Bestimmtheit offen.
Tendenzen von Minimalismus und Konzeptkunst werden seit den 1990er-Jahren weitergedacht im Werk von Andrea Fraser, Karin Sander, Krysten Cunningham, Martin Gerwers, Gail Hastings, Greg Bogin, Andreas Schmid, Michael Zahn, Gerold Miller, Sylvan Lionni, Martin Boyce, George Henry Longly, Rupert Norfolk, Monika Sosnowska, Natalia Stachon, Leonor Antunes, Eva Berendes und Alicia Kwade. Der Übergang vom traditionellen Tafelbild zum wandbezogenen Objekt und die Aufhebung von Gattungsgrenzen werden thematisch in den Arbeiten von Sylvie Fleury, Bernhard Kahrmann, Monika Brandmeier, Nikolaus Koliusis, Mathieu Mercier, Alf Schuler, Beate Terfloth, Tobias Hauser, Silke Radenhausen, Eva Maria Reiner, Madeleine Boschan oder Saâdane Afif.
Substanzielle Recherchen im Bereich neuer Bildmedien betreiben Pietro Sanguineti, Markus Huemer, Isabelle Heimerdinger, Takehito Koganezawa, Tacita Dean, Albert Weis, Katja Davar, Philippe Parreno, Marcellvs L., Shilpa Gupta, Berni Searle, Sharif Waked, Maya Zak, Ilit Azoulay oder Sigalit Landau. Aspekte konzeptueller Tendenzen von etwa 1970 bis heute haben in die Sammlung Eingang gefunden mit Werken von Dan Graham, Michel Verjux, Heimo Zobernig, Sol LeWitt, Danica Phelps, Karin Sander, Jonathan Monk, Lasse Schmidt Hansen, Andreas Reiter Raabe, Wolfgang Berkowski u.a.